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Der Weg

Kurzgeschichten


Der Weg

Und nachdem man lange von Orten weg geblieben ist, kommt irgendwann die Sehnsucht nach ihnen. Vielleicht kein Verlangen, endlich wieder dort zu sein, vielleicht mehr so eine Neugierde, ob alles ohne einen so weitergelaufen ist oder ob sich etwas verändert hat. So ist es bei mir immer.
Bin lange fern geblieben von diesem verwunschenen Ort. Wo früher meine Träume gelebt haben, wo sie aufgewachsen und gestorben sind und wo sie manchmal auch in Erfüllung gegangen sind. Wo ich mich immer wieder erprobt habe, an meinen Grenzen gezerrt habe und wo ich so manches Mal den Boden geküsst. Nun nach langer Zeit- mein Schicksal trägt mich längst auf anderen Wegen zum Ziel- kam da etwas in mir auf, eine Art Verlangen, zu sehen, was an dieser Stelle neues wächst- so ganz ohne mich. Und es dauerte nochmals lange, bis ich den Mut gefasst hatte, inne zuhalten in diesem aufregenden, vorwärtstreibenden Leben und noch einmal ein paar Schritte den alten Weg zu gehen. Dann war es so weit. Die Entscheidung gefasst, den Sprung in die Vergangenheit gemacht. Ich geh durch die Tür. Der altvertraute Geruch holt mich sofort zurück nach damals. Nur stehen heute andere Leute da, wo ich früher gestanden. Ich kenne sie noch, sie erkennen mich nicht gleich. Zögern in ihren Emotionen, sind zurückhaltend, beobachten meine Schritte. Ob sie noch wie früher sind?
Und fremd gehe ich zu dem Langvermissten. Sehe ihn in der Dunkelheit des Raum. Ich brauche kein Licht, um zu wissen, das er da ist. Höre ihn leise. Rufe ihn, doch auch er erkennt mich nicht gleich. Berühre ihn vorsichtig. Er hat sich verändert, sein Fell ist stumpf geworden. Seine Augen ruhiger, älter.
Und ich summe die alte Melodie, rede
mit ihm in alter Sprache, in Benutzung alter Worte. Streichel´ seine Ohren. Kraule sein Gesicht. Doch das, nachdem ich mich so lange sehnte, bleibt aus: der alte Ruf. Dieser auffordernde, erwartungsvolle Laut.
Nachdem ich ein Stück von mir gegeben habe gehe ich weiter. Auch sie erkennen mich nicht. Der alte Graue hat mich wahrscheinlich gleich erkannt, aber er war schon immer recht emotionslos und lässt mich auch diesmal im Ungewissen. Die Junge schaut mich skeptisch an, ihr Blick hat sich verändert, ist unterwürfiger geworden, ängstlicher. Sie bestürmt mich nicht wie früher, sondern will sich von meiner Hand befreien. Auch ihnen gebe ich etwas. Und dann gehe ich zu den letzten Beiden. Oh Gott, wie haben sie sich verändert und ich habe es nicht miterlebt, dann hätte ich es verhindert oder anders gemacht. Die Alte weiß wer ich bin, doch die Junge ist auch in diesem Raum sehr scheu. Sie sind alle alt geworden. Sie waren einmal jung- wie ich. Und mir fällt die Emotionslosigkeit dieser Atmosphäre wie ein Stein ans Herz. Alles ist anders. Ich war zu lange fort, die Verbindung wurde angerissen. Und ich finde den Weg nicht mehr zurück. Ich dachte, ich könnte nun wieder öfters bei ihnen sein, doch zwischen ihnen und mir war nichts als Fremde und Distanz. Ich gehöre nicht mehr in ihr Leben. Und als ich die Tür wieder hinter mir schließe, weiß ich, diesen Ort gibt es nicht mehr: diesen Ort aus früheren Zeiten. Er hat sich verändert- ohne mich- und nicht so, wie ich es gewollt hätte.
Auf dem alten Weg ist wieder Gras gewachsen, wie damals, als ich zum ersten Mal dort an der Tür stand und jetzt kann ich ihn nicht mehr finden.

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Maria Lamböck



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